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Flüchtige Notizen und Anregungen von hier und da.

Satzdrechselei

Wie viele andere technologische Neuerungen auch, lässt das autonome Fahren den im westlichen Wertekanon völlig gleichberechtigten Menschen ein bisschen berechtigter erscheinen. Wie einen Herren, der standesgemäß chauffiert wird. Die Wagenlenker bekamen stets intime Einblicke, nicht nur in die Wege ihrer Herren; sie waren wertvolle Zeugen. Und es konnte nützlich sein, sie zum Freund zu haben; in Indien etwa fungierten sie zugleich als Barden und ihr Einfluss auf die großen epischen Sanskritdichtungen ist unbestritten. Der autonome Wagen singt das hohe Lied seiner Herren freilich in einem Sprachcode, der uns ehrwürdig, langlebig und zu allererst: wertvoll scheint, nämlich als Datensatz. Doch weiß man nie so recht, ob man diesen Fahrer je zum Freund haben kann. Von jemandem, der Alles ausplaudert, sollte man sich jedenfalls nicht in die Schlacht kutschieren lassen.

Kulturbeuteltiere und andere deutsche Ungetüme.

Eine kuriose Verdrehung: Information statisch als künstliche DNA speichern. Also eine ausgesprochen anpassungsfähige Struktur ausschließlich archivalisch instrumentalisieren. Warum nicht auch Selektion und Mutation sich zu Nutze machen?

Saubere Kulturrevolution geht nur mit einer Spindelwaschmaschine; da zieht man von Anfang an Leine.

Auf dem eigenen Zahnfleisch kriecht es sich mithilfe Dritter geradezu galoppierend schnell.

Philologie ist keine gebärende, sondern eine brütende Aktivität mit dem argwöhnischen Ziel, durch eigene Begriffsschwitzerei einem Kuckucksei den fremden Sinn zu entlocken.

Das Unding an der Verunsicherung ist ja, dass sie im Schadensfall nichts bringt und einem danach trotzdem deutlich mehr Nerven kostet.

Man wollte an Reflexion erinnern, aber es blieb nur als Wespennest hängen.

Leserfreundlichkeit gleicht einer Kür auf Messers Schneide um die Aufmerksamkeit des Lesers: Zu viele überladene, aber dem Leserego in geringen Dosen schmeichelnde Verschaltungen kleinster Erkenntnisfunken können genauso schnell zum Absturz führen wie zu pädagogisch daherkommende Beonkelungen.

Alles liegt gleichsam auf dem Weg zum Friedhof.

Selbst schrullige Artefakte bezeugen in bemerkenswert organischer Weise das Etablierte: In der Nische einer Abneigung zu ortsüblichen Schränken gedeihen Organisationsformen, die mit dem Gestus des Nichtschrankseins dennoch die Funktion eines Schrankes erfüllen müssen, schon weil das umliegende Material es von Kulturwegen her erfordert, eingeschrankt zu werden.

Der Mensch als Affe im Zoo seines Weltbilds, der sich – mal mehr, mal weniger selbstständig – sein Gehege zurecht redet.

Räudig und free, wie ein Fuchs auf Ecstasy!

Wer sich vorm Schieben nicht drücken will, muss das Drücken ziehen lassen, dann schiebt es sich wie von selbst.

Der Sachsendöner ist ein Broiler.

Sollte sich einmal ein Metaversum mit passgenauem Interface herausmendeln, könnte das den menschlichen Superorganismus revolutionieren. Und seine Zellen auf Ameisenniveau verdummen. Pheromonspuren mit der richtigen Bandbreite brauchen keine geistigen Individuen mehr.

Die Proteinpaste gekochter Saubohnen platzt cremig aus der eigenen Haut, ganz ohne Transplantation. Pürierte Säue im fremden Darm geben dagegen die umständlicheren Würste ab.

Heute könnte Lichtenberg schreiben: Seine Gedankendiarrhö digital verströmen.

Komm heim, es reicht.

Literarische Extreme neigen zur Potenzierung von analogischer Bedeutungsschwere – der mindfuck des Internets ist qualitativ nicht neu, es hat nur mehr Stoff zu verketten als das Mahābhārata.

Es wäre viel Handlungsspielraum gewonnen, wenn die nebulös-verschwörerischen Hinterzimmerhirngespinste einen Bruchteil der Macht besäßen, zu deren Totalität die Angst und ihre Macher sie ergänzen. Dabei sind dies nur seichte Schauergeschichten. Der fundamentale Horror liegt nicht in hintergründigen Intentionen, sondern in den untiefen Verquickungen unbeabsichtigter Nebenfolgen verborgen; kaum denkbar.

Wenn wir begierig nach jedem Indiz zur Klärung einer Ursache greifen, zeigt das entweder, wie spärlich unsere Quellen gesät sind oder wie beschränkt unsere Auffassung ist; aber längst nicht, dass eines dieser Indizien eine überzeugende Alleinerklärung liefern kann.

Es fällt einem leichter, eine Rolle anzunehmen, wenn man einen Makel zu überspielen hat.

Fernschwärme, from russia with love.

Nennen wir es einmal sächsisch-sture Opferrollenechokammereichelstreichelei, ein Intelligenzstreichkonzert in A-Moll, a für ad nauseam oder so.

Selbst wenn man das Leben performativ begreift, will man ja auch mal für eine andere Pfeife tanzen.

Imbissbude oder Stoner-Rock-Band? Die Chili-Öl-Lavalampe und die Fritteusenveteranen.

Liebhaber von Nachschlagewerken halten sich mitunter schon für literarische Perverslinge, das sage mal einer den Freunden von Zutatenlisten.

Eine Sozio-Kolonoskopie kann zum Leidwesen aller Beteiligten nur unbetäubt durchgeführt werden; bitte entleeren Sie schon mal Ihre Filterblase.

Die Tastatur wird im Shitstorm zur Konsole einer Massenvernichtungswaffe der anderen Art: ein gerichtetes, psychologisches Zerstörungsinstrument der Masse als genitivus subjectivus.

Die krumme Kunst des Bogenscheißens.

Abendandacht für Tagträumer: Die Welt zugrunde gerichtet haben stets nur die Ambitionierten.

Stubenrocker aller Länder vereinigt euch! Also wenigstens im Geiste. Oder im Internet.

Die geschrumpfte Welt bringt neue Anforderungen mit sich, zum Beispiel das Meeresrauschen aus der heimischen Spülmaschine als solches würdigen zu können.

Prozessoptimierung ist für die Zeit, was Ordnungssysteme für den Raum sind.

Strand im Getriebe.

Einfach auf eine erhellende Art mehrdeutig: Kabelporno.

Idee zur Benennung einer Hipsterabsteige, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon vergeben: Bar aller Leiden.

Elegans und Eleganter schnattern im Duett galanter.

Wie erfreut er ist, der Perfektionist, wenn das Unvollkommene gut zu verstecken ist!

Dass man jemals sagen würde, George W. Bush sei eloquent gewesen und habe Format gehabt, konnte sich seinerzeit auch niemand vorstellen.

Die Verkehrsregeln missachtet in Deutschland schon, wer zu Fuß geht. Dabei sind Schuhe an sich vorzügliche Verkehrsmittel; nur trifft der heilige Zorn im Spiel stets den Spielverderber, der eigene Wege geht und den Ernst der Straße damit verspottet.

Vielleicht sollte die Geisteswissenschaft dieser Tage nicht mit ihrer gesellschaftlichen Relevanz flunkern, sondern stattdessen ihr eskapistisches Potenzial für das Individuum werbetauglich in Anschlag bringen: Weltfremdeste Literatur lesen als konsequenteste Filterblase.

Bei dem billigen Platz, den eine beschleunigungsversessene Gesellschaft dem Alter zuweist, erscheint demente Gegenwartsgleichgültigkeit als ganz rationale Strategie.

homo homini Hummus.

Worthülsen sind wie Patronenhülsen: ohne Projektil; sie wirken nur auf Hörer, die darin mehr sehen wollen, was sie propagandistisch streufähiger macht als scharfe Begriffe.

Vielleicht ist Mut nur der kursorisch glückende Gestus, sich entschlossener zu geben als es die Umstände gebieten. Damit hätte man sich immerhin einen Grund mehr gegönnt, auch entsprechend zu handeln.

Die höchste Kunst des Knotens ist es, möglichst wenige davon zu gebrauchen.

Stefan Niggemeier schrieb vor Internet-Äonen auf seinem Blog, als Spamfilter für Kommentare habe sich das Muster bewährt: drei oder mehr Ausrufezeichen in Folge. Auf den sozialen Umgang übertragen hieße das: meide Menschen, die dazu neigen, den Wert ihrer Aussagen als unhinterfragbar darzustellen.

Ganz ohne Rollenspiel und Inszenierung ist Kommunikation ein wenig zumutbarer Eiertanz mit verzwickten Signalen. Und solange man nicht den Blick hinter seine Filter scheut, wird sich die Authentizität in der Sendepause erfrischen können.

»Was ist denn der Unterschied zwischen Sätzen, die von einer KI geschrieben werden und solchen, die Sie schreiben?« »Den haben Sie doch bereits genannt.«

Das Internet »vergisst« zwar auch, im größeren Maße erodiert es mit Techniken zur Navigation seiner Untiefen die Fähigkeit der Nutzer, auf abseitige »Erinnerungen« zugreifen zu können; es macht vergessen.

Das Nadelöhr einer Überlieferung misst sich nur kurzfristig an Menge und Beständigkeit der konservierten Information; undurchdringlich wird es schließlich mangels der Fähigkeit, sich zu jeder Zeit für alles interessieren zu können. Selbst die verbohrtesten Traditionen bewahren nur vorgeblich, als wollten sie davon ablenken, dass sie stets neue Interessen produzieren müssen, um den Zeitgenossen das Überlieferte einigermaßen schmackhaft zu machen.

Rätselhaft, dass Menschen ihr Leben in vollen Zügen genießen wollen. Es genießt sich in leeren Zügen doch weit besser.

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